UnterrichtsmodellDie „Penzberger Mordnacht“ – ein Stück Erinnerungskultur im Unterricht behandeln

Erinnerungskultur schaffen – das war die Intention der Autorin Kirsten Boie, als sie sich dazu entschloss, mit „Dunkelnacht“ einen Jugendroman über die Endphasenverbrechen der Nationalsozialisten im April 1945 zu schreiben. Durch ihren Ansatz, ein historisches Ereignis aus der Perspektive dreier fiktiver Jugendlicher zu erzählen, die während des Unrechtssystems der Nationalsozialisten reifen, hat die Autorin Heranwachsenden die Möglichkeit gegeben, sich der Stadtgeschichte Penzbergs und zahlreichen anderen Endphasenverbrechen anders anzunähern.

Als der Roman „Dunkelnacht“ erschien, war das Interesse in Penzberg groß. Am Gymnasium Penzberg entwickelten wir als Deutsch- und Geschichtslehrerinnen ein fächerübergreifendes Unterrichtsmodell, das den geschichtlichen Hintergrund beleuchtet, aber auch die literarischen Qualitäten des Jugendbuchs herausarbeitet.

Es gibt nicht viele Lektüren, die sich für den Geschichtsunterricht eignen, da aufgrund der geringen Wochenstundenzahl viele Werke zu umfangreich sind. Kirsten Boies „Dunkelnacht“ konzentriert sich auf nur etwas mehr als 100 Seiten auf das Wesentliche und kommt daher bei den Schülerinnen und Schülern gut an.  Bei dem in Penzberg entwickelten Unterrichtsmodell verteilt sich zudem die Besprechung der Lektüre auf den Deutsch- und Geschichtsunterricht, sodass genug Zeit für eine tiefgreifende Behandlung der Thematik möglich ist. Spannend an Kirsten Boies „Dunkelnacht“ ist für Deutsch- und Geschichts-, aber auch für Politiklehrkräfte, wie sich eine Gesellschaft versteht. Ganz besonders die Frage nach Schuld, Verantwortung und zivilgesellschaftlichem Engagement macht das Jugendbuch für den Unterricht interessant und wertvoll. Max Mannheimer sagte einmal zu Schülern: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Diskussion und tiefgründige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sind die Voraussetzung dafür, dass es nicht wieder geschieht. Und „Dunkelnacht“ bietet den Anlass für solche Gespräche.

Penzberg steht stellvertretend für viele andere Kleinstädte in Deutschland, die von den Endphasenverbrechen im Zweiten Weltkrieg erschüttert wurden. Daher ist es eine gesamtdeutsche Aufgabe, dass diese Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten. Der Roman „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie leistet hierfür einen wichtigen Beitrag, da er eine Generation anspricht, die den Zweiten Weltkrieg kaum noch aus Erzählungen von Großeltern kennt. Der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier lud daher Kirsten Boie 2020 ins Schloss Bellevue ein, um in einer Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks Passagen aus „Dunkelnacht“ zu lesen. Im Gespräch mit der Autorin und den per Video zugeschalteten Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Penzberg setzte der Bundespräsident ein klares Zeichen gegen das Vergessen und ehrte die Autorin für ihr gesellschaftliches Engagement. Das zeigt neben dem Jugendliteraturpreis die weitreichende Wirkung und Bedeutung des Jugendbuchs. „Dunkelnacht“ ist also in vielerlei Hinsicht eine lohnende Lektüre für den Geschichts- und Deutschunterricht!

Das Unterrichtsmaterial zu „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie kann man auf der Website des Oetinger Verlags kostenlos downloaden.

Christiane Herold

Christiane Herold

Christiane Herold ist Studienrätin am Gymnasium Penzberg und unterrichtet die Fächer Deutsch und Französisch. Es liegt ihr besonders am Herzen, ihren Schülern Literatur nahe zu bringen und das Lesen zu fördern. Daher engagiert sie sich seit vielen Jahren für den Vorlesewettbewerb der 6. Klassen. Von 2018 bis 2021 hat sie in der Jury des Kinder- und Jugendliteraturpreises „Penzberger Urmel“ mitgewirkt und zu den nominierten Büchern mit ihren Schülern kreative Projekte realisiert. Das fächerübergreifende Arbeiten hat für die Deutschlehrerin einen besonderen Stellenwert. Dabei schätzt sie die ganzheitliche Herangehensweise an Literatur, die durch die unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Fächer entsteht.

Michaela Wagner

Michaela Wagner

Michaela Wagner arbeitet seit Beendigung ihres Referendariats 2009 am Gymnasium Penzberg. Sie unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Sozialkunde bzw. Politik und Gesellschaft. Als Fachleiterin für Geschichte liegt ihr der fächerübergreifende Ansatz besonders am Herzen. Als Deutschlehrerin gehört es zur Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen Spaß am Lesen zu vermitteln, welcher ihrer Meinung nach nicht rein bei dem Fach Deutsch enden sollte. Viele Kinder- und Jugendbücher eignen sich hervorragend, um den Blick für Geschichte und Politik zu öffnen und sich tiefgreifender mit aktuellen und gesellschaftspolitisch relevanten Themen auseinanderzusetzen.

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