LehrergesundheitWenn der Schulalltag zur großen Welle wird … Surfe mit Supervision!

Ich liebe Hollywood-Filme. Vor allem Filme, in denen sich der Protagonist auf irgendeine Reise begibt, um physisch und psychisch zu reifen, damit er seinen Endgegner besiegen kann. „Kill Bill“, „Batman“ und „Rocky“ sind nur einige der Klassiker, die mir auf Anhieb einfallen. Der Filmvergleich zeigt mir, dass sowohl in einer fiktionalen als auch in einer realen Situation externe Hilfe benötigt wird, um irgendein Ziel zu erreichen. Das ist keine Schande. Immerhin fiebern wir mit den Protagonisten mit und können den wohlverdienten Erfolg nachempfinden (auch wenn „Kill Bill“ einen faden Beigeschmack hinterlassen hat).

Hollywood-Lehrer-in-Bayern-Crossover

Es ist klar, worauf ich hinaus will: Selbst die Erfahrensten unter uns stoßen manchmal an ihre Grenzen. Der Job als Lehrkraft ist nicht immer leicht, auch wenn ich ihn mit Überzeugung nachgehe. Die Tage, an denen mich ein Schüler oder eine Schülerin in den Wahnsinn treibt, die Anforderungen an mich manchmal zu hoch sind und meine Laune sinkt, weil ich es nicht schaffe, eine gesunde Work-Life-Balance umzusetzen, sind nicht selten. Sich einzugestehen, dass es so nicht mehr geht, ist der erste Schritt in Richtung Supervision.

Was ist Supervision?

Supervision ist eine lösungsorientierte Beratungsform zur Reflexion des beruflichen Alltags. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (einzeln, in Gruppen oder in Teams) bringen ihre aktuellen Anliegen, Fragestellungen und Erfahrungen ein. Das Ziel ist eine Perspektivenerweiterung und damit die Entwicklung von Handlungsalternativen für alle Beteiligten. Durch den kreativen Dialog unter der Leitung einer Supervisorin bzw. eines Supervisors werden die Ressourcen von Einzelpersonen und Gruppen aktiviert und förderliche Umsetzungen angebahnt.

Quelle: Supervision | Lehrergesundheit | Themen und Anlässe | Staatliche Schulberatung in Bayern

Weil mein Wissen als gelegentliche Supervisorin doch begrenzt ist, habe ich Frau Bettina Dirtheuer, ausgebildete Sozialpädagogin und zertifizierte Supervisorin, für ein Interview gewinnen können. Sie hat dankenswerterweise ihre Expertise und gewinnbringenden Ratschläge mit mir geteilt:

Was leistet die Supervision und welche Bereiche umfasst sie speziell für Lehrkräfte?

Bettina Dirtheuer: Der Supervisor dient als Navigator, der mit gezielten Impulsen den Weg weist. Das thematische Angebot der Supervision ist dabei breit gefächert und passt sich den individuellen Bedürfnissen der Lehrkräfte an. Systemische Supervisoren treten nicht als Experten im Feld der Pädagogik auf, sondern vielmehr als Katalysatoren, die durch Ressourcenaktivierung und das Aufzeigen von Handlungsoptionen helfen, aktuelle Herausforderungen und innere Konflikte zu überwinden. Das Ziel ist es, Lehrkräfte zu einer Lösungsorientierung zu führen, indem mögliche Perspektiven aufgezeigt und neue Handlungsstrategien entwickelt werden.

Ab wann ist eine Supervision besonders empfehlenswert?

Bettina Dirtheuer: Eine Supervision empfiehlt sich besonders dann, wenn man in der aktuellen beruflichen oder persönlichen Situation an einen Punkt gelangt, an dem scheinbar keine weiteren Handlungsoptionen mehr verfügbar sind. Es ist der Moment, in dem sich der Alltag in einer Sackgasse befindet und die nächsten Schritte ins Ungewisse führen. Supervision bietet hier eine Perspektive, um aus dieser eingeschränkten Sicht herauszutreten und mittels bewährter Techniken neue Wege zu erkunden. Dabei ist es wichtig, zwischen einer reinen Problemsituation und einem tieferliegenden Konflikt zu unterscheiden. Oftmals, wenn eine Problemlösung nicht unmittelbar attraktiv oder umsetzbar erscheint, verbirgt sich dahinter ein Konflikt, der einer eingehenden inneren Auseinandersetzung bedarf. In solchen Fällen zielt die Supervision darauf ab, nicht nur oberflächliche Lösungen anzubieten, sondern auch dabei zu unterstützen, den inneren Konflikt zu verstehen und anzugehen, um so einen dauerhaften Wandel zu ermöglichen.

Ist die Supervision eine Art Therapie?

Bettina Dirtheuer: Supervision und Therapie weisen zwar Parallelen auf, doch es ist wesentlich, zwischen den beiden zu differenzieren. Während beide Formate Unterstützung und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, fokussiert sich die Supervision primär auf berufliche Kontexte und die damit verbundenen Herausforderungen und Konflikte. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Tiefe der Auseinandersetzung: In einer Gruppensupervision etwa ist es schwieriger, individuelle Themen so tiefgehend zu bearbeiten wie in einer Einzeltherapie. Entscheidend ist auch der Rahmen, in dem die Supervision stattfindet – ob im Einzelgespräch oder in einer Gruppensitzung, da dies die Herangehensweise und den Fokus beeinflusst. Trotz dieser Unterschiede gibt es methodische Ähnlichkeiten, etwa in der Anwendung bestimmter Techniken, die auf Erkenntnisse und Praktiken der Psychotherapie zurückgehen können. Jedoch bleibt der primäre Zweck der Supervision die berufliche Reflexion und Entwicklung, nicht die psychologische Therapie.

Wie können Lehrkräfte in der aktuellen herausfordernden Berufssituation gestärkt werden?

Bettina Dirtheuer: Ein wichtiger Schritt ist der Perspektivwechsel: die Fokussierung darauf, was trotz der Schwierigkeiten funktioniert, statt nur die Hindernisse zu sehen. Diese Selbststärkung betont das Erkennen und Wertschätzen der eigenen Kompetenzen und das Verstehen der Hintergründe, die die aktuellen Herausforderungen so anspruchsvoll machen. Häufig liegt die Ursache nicht im eigenen Versagen, sondern in äußeren Umständen oder systemischen Problemen. Durch diesen Ansatz können Lehrkräfte ermutigt werden, ihre Situation neu zu bewerten und gestärkt mit den täglichen Anforderungen umzugehen.

Wo finden Lehrkräfte Quellen zur Erholung und zur Kraftschöpfung?

Bettina Dirtheuer: Für Lehrkräfte, die im Alltag ständig hohen Belastungen ausgesetzt sind, ist es essenziell, Quellen für Entspannung und Erholung zu finden, die weit entfernt von ihrem beruflichen Umfeld liegen. Solche Quellen bieten keinen direkten Bezug zum Lehrberuf und ermöglichen dadurch ein vollständiges Abschalten. Dies kann das Eintauchen in die Welt der Krimis, das Genießen von Serien oder das Verbringen von Zeit an Orten sein, die mit dem Beruf nichts zu tun haben und somit einen mentalen Abstand schaffen. Ebenso können soziale Aktivitäten, die keine Verbindung zur Arbeit haben, als wichtige Ressourcen dienen. Der Schlüssel liegt darin, Aktivitäten zu finden, die es ermöglichen, die beruflichen Sorgen für eine Weile beiseitezulegen und so die Batterien wieder aufzuladen. Das Heraustreten aus dem beruflichen Kontext ist dabei unerlässlich, um den Geist zu erfrischen und die nötige Distanz zu gewinnen, die für eine wirkungsvolle Erholung benötigt wird.

 

Selbstreflexion und Eingeständnis

Anders als in Hollywood-Filmen, in denen der Protagonist mehr oder weniger in die Selbstreflexion und das Training gezwungen wird, obliegt die Entscheidung uns allein, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist der erste, richtige Weg, mögliche Hürden zu überwinden und mit neuen Perspektiven an die Sache heranzugehen. Eine erste Anlaufstelle ist die Staatliche Schulberatung in Bayern. Auf der Homepage des Kultusministeriums findest du die Kontaktdaten zu den sogenannten Regionalbeauftragen für Lehrergesundheit sortiert nach Regierungsbezirk und Schulart. 

Dazu lässt sich abschließend nur noch sagen:

"It ain’t about how hard you hit. It’s about how hard you can get hit and keep moving forward; how much you can take and keep moving forward. That’s how winning is done!” (Rocky Balboa)

Aylin Qasim

Aylin Qasim

Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.

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