Élysée-Prim-ProgrammUnterrichten in Frankreich – ein Lebenstraum wird wahr

Im Schuljahr 2021/22 hatte ich das große Glück am Élysée-Prim-Programm teilzunehmen und ein Jahr in Frankreich leben zu dürfen. Ein Lebenstraum, den ich verwirklichen konnte.

Insgesamt unterrichtete ich in Vollzeit 24 Stunden Deutsch (in Frankreich dauert eine Schulstunde 60 Minuten). Mein Einsatz wurde auf sechs unterschiedliche Grundschulen („école maternelle“ und „école élémentaire“) aufgeteilt, die zur Schulinspektion „Dole Nord“ gehören. Logistisch war der Wechsel zwischen den Schulen gut zu meistern, auch weil die Schulleiter aller Schulen sich gemeinsam bemüht hatten, die Stunden und Tage sinnvoll zu verteilen. Ich hatte vor Ort immer das Gefühl, dass man sich um mich kümmerte. Die Zusammenarbeit mit den französischen Kolleginnen und Kollegen an den verschiedenen Schulen, den Schulleitungen und den Schulbehörden verlief reibungslos und war sehr angenehm. Bei Problemen erhielt ich jederzeit Hilfe und man war meinen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen. Außerdem wurde mein Aufenthalt in Frankreich durch das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) und das bayerische Kultusministerium sehr gut vorbereitet. Während des zweiwöchigen Seminars in Berlin informierte man uns umfassend über das französische Schulsystem und die Unterrichtskultur. Ich hatte auch während meines Aufenthalts jederzeit die Möglichkeit, mich bei Fragen oder Unsicherheiten an die Ansprechpartner des DFJW oder des Kultusministeriums zu wenden. Überhaupt hatte ich immer das Gefühl, das man sich wirklich für meine Anliegen interessierte und Anteil nahm an meinem Leben in Frankreich.

Das französische Dole in der Bourgogne-Franche-Comté ist ein malerisches Städtchen mit ca. 23.000 Einwohnern, das im 14. Jahrhundert gegründet wurde.
© tichr – stock.adobe.comDas französische Dole in der Bourgogne-Franche-Comté ist ein malerisches Städtchen mit ca. 23.000 Einwohnern, das im 14. Jahrhundert gegründet wurde.

Für die Unterrichtsplanung und -gestaltung sagte man mir bei meinem ersten Besuch in der Schulinspektion Anfang September, dass ich nach den Grundsätzen des „Émile“-Programmes unterrichten sollte. Ich hatte vorher noch nie von diesem Programm gehört. Ziel dabei ist es, die Fremdsprache ganz „natürlich“ in den normalen Unterricht einfließen zu lassen (Sport, Mathematik, Kunstunterricht etc.) und durch Projekte Neugierde auf das fremde Land zu wecken, so dass die Kinder sich dafür interessieren und sich selbstständig mit der Sprache beschäftigen wollen.

Bild: selbstgebastelte Glücksbringer hängen im Klassenzimmer zum Jahreswechsel 2021/2022
© Michaela Makitta

Bei der Gestaltung der Unterrichtsinhalte ließ man mir schließlich die größtmögliche Freiheit. Ich konnte selbst entscheiden, welche Projekte ich mit den Schülerinnen und Schülern durchführen wollte. So bin ich in allen Klassen ausführlich auf das Brauchtum zum Martinstag am 11. November mit selbstgemachten Laternen eingegangen. Wir haben in der Advents- und Weihnachtszeit Fenster- und Christbaumschmuck und zum Jahreswechsel 2021/2022 „Glücksbringer-Mobile“ gebastelt. Die Kinder lernten deutsche Geburtstagskinderlieder, wie Karneval in Bayern gefeiert wird und wie man Ostereier bemalt und verziert. Besonders toll war es, als wir den Vorplatz der „Mairie“ so österlich geschmückt haben, wie es in meiner Heimat (Landkreis Amberg-Sulzbach) der Brauch ist. Bei gutem Wetter hatte ich für die Sportstunden deutsche Spiele im Freien eingeplant und Ende Juni auf dem Schulfest ein deutsches Lied mit Tanzbewegungen mit den Kindern einstudiert.

Ich habe viel Erfahrung darin gewonnen, die deutsche Sprache als Fremdsprache zu vermitteln und denke, dass ich damit wohl künftig auch als Lehrkraft für DaZ eingesetzt werden kann, gerade auch hinsichtlich der Kinder, die aus Kriegsgebieten flüchten müssen. Persönlich denke ich auch, dass ich einiges zum interkulturellen Austausch beitragen konnte. Als ich im September 2021 an den verschiedenen Schulen anfing zu unterrichten, wurde ich mehr als einmal gefragt, ob es denn in Deutschland auch Strom und Autos gäbe – nun, ich denke, diese Zweifel konnte ich rückhaltlos ausräumen. Darüber hinaus kämpfte ich anfangs teilweise mit Ressentiments gegen Deutschland und die Deutschen, die noch aus der Generation der Großeltern zu kommen schienen – auch hier habe ich (hoffentlich) ein Umdenken bewirkt. Besonders geschätzt wurde es seitens des französischen Kollegiums sowie der Schülerinnen und Schüler, wenn ich über das vielfältige Brauchtum meiner oberpfälzischen Heimat sprach. Einiges davon wollen meine Kolleginnen und Kollegen auch fortführen. Mit einer französischen Lehrkraft habe ich letztlich vereinbart, dass wir unsere beiden Klassen über Video zusammenbringen wollen, um gemeinsame Projekte zu starten.

Die französische Stadt Dole mit malerischer Terrasse über dem Kanal, der durch die Stadt führt
© Friedberg – stock.adobe.com

Dieses Jahr in Frankreich hinterlässt einen tiefen und sehr positiven Eindruck in mir. Ich bin berührt von der liebenswürdigen Aufgeschlossenheit und Anteilnahme der Menschen um mich herum, die mir Einblicke in ihr Leben gewährten und fasziniert davon, welch unterschiedliche Anschauungen doch innerhalb Europas bezüglich Erziehung und Unterricht und der „Lebensart“ im Allgemeinen herrschen. Vieles von dem, was für deutsche Kinder im Unterricht völlig selbstverständlich ist, ist mit französischen Kindern nur schwer umsetzbar. Umgekehrt empfand ich die Ruhe und Entspanntheit, mit der sowohl Eltern als auch Kinder in Frankreich an die Schule herangehen, als sehr wohltuend. Das gilt im Übrigen auch für meine Tochter, die ohne vorher ein Wort Französisch gekonnt zu haben, ein ganz normales „Collège“ besucht hatte und dort glücklich war. Ich stelle mittlerweile erstaunt fest, dass ich mich an Dinge, die ich vor meinem Frankreichaufenthalt für problematisch hielt – z. B. den täglichen Unterricht bis 16:30 Uhr – sehr schnell gewöhnt habe (und nun eine Verfechterin dieses Modells bin). Dass mich hingegen andere französische Gepflogenheiten (Essgewohnheiten, teilweise auch der Umgang mit Religionen oder Brauchtum), über die ich mir vorher nie wirklich Gedanken gemacht hatte, befremden.

Etwas schade ist, dass die meisten Teilnehmenden nur ein Jahr bleiben dürfen. Besser wäre es, den Austausch grundsätzlich auf zwei Jahre festzulegen und die vorzeitige Rückkehr nur im Fall von schweren Problemen zu ermöglichen. Die ersten Wochen vergehen damit, sich einzuleben, sich an die neuen Arbeitsbedingungen zu gewöhnen und unter den französischen Kolleginnen und Kollegen sowie den Schülerinnen und Schülern „Fuß zu fassen“. Dann folgen einige Monate des ruhigen Arbeitens. Letztendlich muss man sich dann aber zu schnell wieder auf den Rück-Umzug vorbereitem. Ein grundsätzliches zweites Jahr würde Kosten sparen und ein effektiveres, weil aufbauendes Arbeiten ermöglichen.

Letzten Endes wünsche ich mir, dass zumindest einige der Kontakte, die ich in Frankreich knüpfen konnte, die kommenden Jahre überdauern werden und ich noch lange von meinen positiven Eindrücken – auch persönlich – profitieren werde.

Michaela Makitta

Michaela Makitta

Michaela Makitta ist seit über 30 Dienstjahren als Grundschullehrerin in Bayern tätig. Mit dem Aufenthalt im Schuljahr 2021/22 in Frankreich gemeinsam mit ihrer Tochter erfüllte sie sich einen lang gehegten Wunsch.

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