Ukrainische Kinder und Jugendliche in BayernDabei sein und nicht nur mitlaufen

Frau Rinno, was bedeutet es für eine Schule eine Pädagogische Willkommensgruppe anzubieten?

Die Einrichtung einer Pädagogischen Willkommensgruppe ist für eine Schule eine hervorragende Chance Brücken zu bauen zwischen Ankommen und Integration. Die Schüler:innen der Willkommensgruppe werden in diesem Rahmen als Kinder und Jugendliche wahrgenommen und nicht nur als Flüchtlinge. Außerhalb des regulären Unterrichts werden mit den Kindern und Jugendlichen ihre individuellen Bedürfnisse ermittelt und gefördert: So geht es beispielsweise um das Verstehen des Schulsystems, den Deutschunterricht bis hin zum Feststellen der Kompetenzen in Mathematik oder Englisch. Ziel ist es, die geflüchteten Schüler:innen langfristig in bestehende Klassen einzugliedern. Das geht beim einen schneller, beim anderen langsamer. Der entscheidende Faktor dabei ist, wie schnell und gut die Kinder und Jugendlichen beim Erlernen der deutschen Sprache vorankommen.

Die Willkommensgruppen sind ein tolles System, das an allen Mittelschulen und den anderen weiterführenden Schulen fest verankert werden sollte. Schulen könnten somit eine echte Willkommenskultur bieten, nicht nur für ukrainische Schüler:innen. Die Schaffung von Brückenklassen im kommenden Schuljahr 2022/23 ist sicher der richtige Weg. Ich würde sagen, alles ist im Fluss und es ist heute viel mehr möglich als 2015/2016 möglich war.

Frau Bohn, wie sieht Ihr Schultag als Willkommenskraft aus?

Wir starten zu Beginn des Schultags mit unserem Begrüßungsritual. Der Fokus liegt hier bereits auf dem Festigen der bisher erworbenen Deutschkenntnisse, denn wir wiederholen immer Begriffe und verschiedene Sprachwendungen. Nach der Wortschatzarbeit zu unterschiedlichen Themenbereichen, z.B. Einkaufen, Schule, etc., wenden die Schüler:innen im spielerischen Dialog die bekannten Wörter und Satzstrukturen an und festigen sie dabei. Ein Teil der Jugendlichen wechselt dann in den Regelunterricht des Ludwig-von-Erthal Gymnasiums, das Teil unseres Schulzentrums ist. Der andere Teil der Schüler:innen bleibt in der Willkommensgruppe und beendet den Tag mit dem Üben des vorhandenen Deutschwissens, mit Sprachspielen, Kunst und Musik. Insgesamt ist der Arbeitsaufwand für mich anspruchsvoll, da die Kinder und Jugendlichen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Deutschkenntnissen in die Schule kommen. Hier muss ich sehr viel differenzieren. Ich arbeite aber schon länger hier an der Gustav-Woehrnitz Mittelschule, deswegen haben wir im Kollegium eine tolle Zusammenarbeit. Wir unterstützen uns alle gegenseitig.

Aus welchen Gründen haben Sie sich entschieden, sich als Willkommenskraft zu engagieren?

Ich möchte die Kinder und Jugendlichen sehr schnell integrieren. Da ich als Muttersprachlerin unterrichten kann, entsteht ein großer Vorteil für die Gruppe. Durch das Sprechen der Muttersprache gewinnen die Schüler:innen schneller Vertrauen. Ich möchte meine Klasse motivieren, eine neue Sprache zu lernen. Zwei Herausforderungen sind natürlich bestimmend: die Coronazeit und in unserem speziellen Fall die Erlebnisse in den Kriegsgebieten. Ich versuche die Kinder und Jugendlichen dahingehend zu unterstützen und auch fächerübergreifenden Unterricht zu gestalten. Wir betrachten Geografie, Politik und Sozialkunde. Außerdem spielen im Unterricht z.B. bayerische Bräuche und Traditionen eine große Rolle. Sehr gerne machen wir zusammen Musik, denn hier haben wir die Chance, ohne Worte zu kommunizieren.

Was sind für Sie die Herausforderungen im Willkommensalltag?

Wie in jeder anderen Klasse auch muss in der Willkommensgruppe gelernt und geübt werden. Hier trifft man natürlich auf unterschiedlich motivierte Schüler:innen. Zudem kommen die Kinder und Jugendlichen aus den verschiedensten Gebieten der Ukraine und somit auch mit unterschiedlichsten Bildern und Eindrücken aus dem Krieg. Hier müssen wir unser gesamtes pädagogisches und methodisches Geschick einsetzen. Eine weitere Herausforderung ist der unterschiedliche zeitliche Zuzug nach Deutschland und somit das unterschiedliche Ankommen an unserer Schule. Hier gilt es immer wieder neu, ein differenziertes System zu schaffen, um jeden mitzunehmen. Als nächsten herausfordernden Schritt muss die Integration in die Regelklasse im Rahmen der Brückenklassen gegangen werden. Ziel ist es natürlich, dass ein Kind oder Jugendlicher nicht nur „mitläuft“, sondern „dabei ist“. Eine spannende Aufgabe für die kommenden Schuljahre.

Welche Fortschritte konnten Sie in den letzten Monaten in der Gruppe beobachten?

Es hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten eine tolle Gemeinschaft entwickelt, auch mithilfe unserer Exkursionen und Projekte. Die Schülerinnen tauschen sich gegenseitig aus und helfen sich untereinander. Die Deutschkenntnisse nehmen immer mehr zu.

Ein paar Eindrücke aus dem Unterricht und von unseren Projekten seht ihr im Video:

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2022-07 Willkommenskraft im Portrait
Susanne Rinno

Susanne Rinno

Susanne Rinno ist seit 2011 Rektorin an der Gustav-Woehrnitz-Mittelschule. Für sie ist eine gelebte Willkommenskultur an einer Schule der Schlüssel zu einem guten Miteinander und einem gelingenden Lernen. Das bunte Bild der Schülerschaft macht die Lebendigkeit einer Schule aus.

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