Digitale PrüfungsformateBeim Erklärvideo lernt der am meisten, der es erstellt
Seit nunmehr 9 Jahren erstelle ich Erklärvideos zu meinem Unterricht. Ok, auf YouTube bin ich jetzt nicht mit LehrerSchmidt oder Daniel Jung zu vergleichen, aber vielleicht habe ich manchen Schülerinnen und Schülern auch schon weiterhelfen können.
Am meisten habe aber ich die letzten Jahre gelernt. Erklärvideos zu erstellen, hilft nämlich dem am meisten, der sie erstellt. „Lernen durch Lehren“ nennt man dieses Prinzip und das birgt viel Magie. Kurz: Wer anderen etwas zeigen oder erklären kann, der hat es oft besser verstanden. Mittlerweile versuchen immer mehr Lehrerkräfte statt einer Klassenarbeit die Klasse Lernprodukte erstellen zu lassen: Es gibt heute mit unzähligen Apps viel mehr Möglichkeiten als früher, einfach selbst zum Produzenten zu werden.
Ein paar Beispiele findet Ihr hier in der Bildergalerie:
Ich lasse z.B. meine Schülerinnen und Schüler in Mathe eine gemeinsame PowerPoint zu einem Thema im Kapitel „Gleichungen“ erstellen, so dass Sie daraus am Ende die Folien zu einem Erklärvideo vertonen können.
Bei Frau Schuhladen in Meitingen haben die Kids einer 8. Klasse ein Kochbuch erstellt und die Rezepte in einem E-Book auch mit Tonaufnahmen ergänzt: auf Französisch.
Frau Ziegler aus Pfuhl hat ihre 10. Klassle in Geschichte zu einem #Perspektivenwechsel angeregt: Jeder erstellt ein Profil über eine erfundene Person aus dem Kalten Krieg, erstellt selbst passende Postings und kommentiert die der Klassenkameraden.
Bei Frau Mahler in Affing erstellten 7. Klässler Legevideos in Religion zum Thema Reich-Gottes-Botschaft: „Wie kann die Welt heller werden?“
Herr Raabe aus Zusmarshausen ließ seinen Kids die Wahl, wie sie in der 7. Klasse die Passatwinde kreativ in einem Video darstellen wollten. Eine Gruppe baute daraufhin mit Minecraft eine Landschaft, in der dann das Thema veranschaulicht und erklärt wurde.
Es gibt auch einen großen Schulversuch „Prüfungskultur innovativ“, bei dem viele weitere Formate erprobt werden, sogar eine „digitale Schulaufgabe“.
Viel gemacht – viel gelernt!
Das gibt nicht nur großartige Ergebnisse. Gerade beim Erstellen von Videos wird auch noch viel gelernt: Man sollte sein Thema sehr gut kennen, gegebenenfalls dazu recherchieren und fachlich richtig erklären. Man muss das Urheberrecht kennen, damit auch nur Erlaubtes in einem digitalen Produkt auftaucht. Man sollte sich überlegen, mit welcher Überschrift und welchem Begleittext bzw. Schlagwörtern man z.B. ein Video versieht. Dann das Licht und der Ton: Es lohnt sich, die Technik genauer unter die Lupe zu nehmen! Und gleichzeitig lernt man, vor einer Kamera bzw. einem Mikrofon zu sprechen und sich klar auszudrücken. Man muss lernen, sich selbst zuschauen und zuhören zu können, und sein Wirken reflektieren.
Wie funktionieren digitale Prüfungen?
Wenn man in die Realschulordnung schaut, dann können Lehrkräfte digitale Produkte unter gewissen Voraussetzungen auch als praktische oder mündliche Leistungsnachweise geltend machen. Mit der Verwendung von Tablets oder Smartphones entstehen neue Möglichkeiten, das eigene Wissen darzustellen. Das ist manchen Schülerinnen und Schülern vielleicht auch angenehmer, als auf den Punkt das Erlernte auf Papier bringen zu müssen. Und mittlerweile geht es ja auch gut voran mit der digitalen Ausstattung der Schulen.
Erklärvideos, Podcasts, eBooks, digitale Portfolios, … Bei solchen Projekten ist es sehr wichtig, das Lernen in den Mittelpunkt zu stellen. Prozessorientierte Arbeitsphasen mit viel Feedback, vielleicht auch in Zusammenarbeit, viel Kreativität und vor allem das Versprachlichen im digitalen Raum werden in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger. Dies im Unterricht zu ermöglichen und am Ende vielleicht sogar in die Gesamtnote einfließen zu lassen, könnte die Idee vom Lernen in der Schule verändern.
Ihr wollt ein Erklärvideo jetzt selbst ausprobieren?
- 1 Dann nehmt Euer eigenes Smartphone und erstellt ein Video! Aber bitte nicht einfach drauflos. Am besten sammelt Ihr erst, was ihr in das Video bringen wollt.
- 2 Erstellt ein Skript! Ein Skript mit dem Text, den ihr sprechen wollt, ist nicht nur bei der Ideensuche, sondern auch später bei der Aufnahme sehr hilfreich.
- 3 Ab in den Technik-Check! Einmal ausprobieren, ob alles klappt, und dann kann der erste Versuch auch schon losgehen.
- 4 Holt euch Unterstützung! Wenn man das Projekt zu zweit angeht, macht es nicht nur mehr Spaß, es fällt einem dann oft auch leichter. Ihr seid unsicher? Dann holt Euch Feedback ein, sprecht mit anderen über Eure Idee oder zeigt jemandem Euer Skript.
Weitere Tipps gibt es im Video
YouTube-Integration
DatenschutzhinweisWenn Sie dieses YouTube-Video ansehen, werden Informationen über Ihre Nutzung an den Betreiber von YouTube übertragen und dort unter Umständen gespeichert.
Informationen zum Datenschutz
Ich hoffe, dass diese Magie des Erstellens nicht nur bei uns Lehrkräften bleibt, sondern dass mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur an bayerischen Schulen auch Leistungsnachweise neu gedacht bzw. mit neuen Möglichkeiten bedacht werden. Ein kompetenzorientierter Lehrplan braucht auch kompetenzorientierte Prüfungen.
Sebastian Schmidt
Sebastian Schmidt ist Lehrer an der Inge-Aicher-Scholl Realschule Neu-Ulm – Pfuhl für die Fächer, Mathematik, kath. Religionslehre und IT. Dort ist er in der erweiterten Schulleitung sowie u.a. als Systembetreuer, Teamleiter und im Schulentwicklungsteam tätig. Im Regierungsbezirk Schwaben ist er der informationstechnische Berater für Digitale Bildung (RS). Auf seinem Blog veröffentlicht er seine Erfahrungen rund um das Unterrichten mit digitalen Medien.