Individuelle FörderungBegabtenförderung im Drehtür-Modell

Individuelle Förderung bedeutet nicht nur Lernrückstände auszugleichen, sondern auch besondere Stärken zu unterstützen. Eine Möglichkeit, begabte Kinder und Jugendliche in der Schule adäquat zu fördern und fordern, ist das Drehtürmodell. Jedes Schuljahr stößt das „Drehtüren“ am Dürer-Gymnasium in Nürnberg auf großes Interesse – aktuell nehmen über 30 Schüler:innen aus den Jahrgangsstufen 5-12 daran teil.

Bei der klassischen „Drehtür“ verlassen die Schüler:innen in einzelnen Schulstunden den planmäßigen Unterricht, um den Unterricht einer höheren Jahrgangsstufe zu besuchen, ein zusätzliches Fach zu belegen oder an einem Assignment zu arbeiten.

Bild: Comic-Figur in einer Drehtür
© Fredy Sujono - stock.adobe.com

Wie wird das „Drehtüren“ organisiert?

Entweder schlagen aufmerksame Lehrkräfte der Koordinatorin Kinder und Jugendliche vor, die sie für das Drehtürmodell als geeignet sehen, oder es melden sich Schüler:innen, die gerne teilnehmen möchten, selbst. Als Nächstes wird nach Rücksprache mit allen Beteiligten eine schriftliche Vereinbarung aufgesetzt, die von der Schülerin bzw. dem Schüler, den Eltern, der Koordinatorin und der Schulleitung unterschrieben werden muss. In dieser Vereinbarung wird u.a. festgehalten, in welchen Stunden und an welchen Tagen die Schüler:in den Unterricht in der höheren Jahrgangsstufe besucht, in welcher Klasse kleine mündliche Leistungsnachweise gemacht werden etc.
Darüber werden natürlich auch alle beteiligten Lehrkräfte und Klassenleitungen informiert. Soweit die Theorie – was sagen unsere „Drehtürenden”?

Erfahrungsberichte

Viele Schüler:innen am Dürer-Gymnasium nutzen die Drehtür, um ihre sprachlichen Fähigkeiten weiter auszubauen. Dabei sind unterschiedliche Sprünge möglich. Hier berichten zwei Fünftklässlerinnen von ihren Erfahrungen im Englisch-Unterricht.

Beatrice und Sophie aus der 5. Klasse besuchen Englisch in Klasse 6

00:0001:17--:--75%

Clarissa aus der 5. Klasse besucht Englisch in Klasse 7

00:0000:47--:--75%

In der Mittelstufe haben Schüler:innen noch mehr Möglichkeiten und Flexibilität. Die Fremdsprachen und vor allem Englisch sind hier sehr beliebt.

Eine Schülerin aus der 8. Klasse besucht Englisch in Klasse 9

Hallo, ich bin in der achten Klasse und besuche im Rahmen des Drehtürmodells das Fach Englisch in der Jahrgangsstufe 9.

Ich mache beim Drehtürmodell mit, da ich dadurch meine Englisch-Kenntnisse erweitern und Neues dazulernen kann.

Dies wirkt sich positiv auf meine Motivation aus, ich freue mich auf jede Englischstunde. Ich lerne auch vieles dazu und im Englischunterricht mit der eigenen Klasse fallen mir einige Themenbereiche deutlich leichter. Anfangs hatte ich ein wenig Sorgen, ob ich auch wirklich fit genug war und ich wollte keine Fehler machen. Doch dadurch, dass keine Noten in der oberen Jahrgangsstufe gemacht werden, habe ich mich schon bald entspannt und die Stunden genossen.

Natürlich ist es ein wenig aufwendig, da die Hausaufgaben aus der höheren Jahrgangsstufe dazukommen. Vor jeder Unterrichtseinheit im Fach Englisch muss ich mich auf das richtige Thema einstellen, da man in der achten und in der neunten Klasse verschiedene Themen bearbeitet. Dies sind jedoch nur Kleinigkeiten, denn es macht viel Spaß, mal eine kleine Abwechslung im Themenbereich zu haben.

Das Drehtürmodell ist super organisiert und bis jetzt sind keine Probleme aufgetreten. Die verpassten Stunden, während man ein Fach in einer anderen Jahrgangsstufe besucht, machen mir nichts aus, da es mit den jeweiligen Lehrkräften abgesprochen ist. Der verpasste Stoff wird auf die Lernplattform hochgeladen und notfalls kann man auch immer die Klassenkameraden fragen.

Zwei Schülerinnen aus der 9. Klasse besuchen Englisch in Klasse 12

Wir sind beide in der 9. Klasse und nehmen schon seit 1,5 Jahren an einem Drehtürmodell im Fach Englisch in der 12. Klasse teil, weil unsere Englischlehrerin uns den Vorschlag gemacht hat. Das Drehtürmodell bietet viel Abwechslung zum normalen Unterricht, da man mit neuem Stoff, Mitschüler:innen und Lehrkräften zu tun hat. Außerdem wird man jede Stunde aufs Neue herausgefordert und kann so seine Sprachkenntnisse verbessern und seinen Wissenshorizont erweitern. Es stellt für uns einfach die perfekte Möglichkeit dar, unsere Stärken und Interessen auszubauen. Unsere Motivation im Fach Englisch steigt auch, da wir mit neuen Einblicken konfrontiert sind und so eine neue Perspektive auf das Fach erhalten.

Obwohl der verpasste Stoff der 9. Klasse nachgeholt werden muss, ist die zusätzliche Arbeit aus unserer Erfahrung durchaus machbar. Auch organisatorisch stellt die Teilnahme am Drehtürmodell selten eine große Herausforderung dar, gegebenenfalls kann man einfach mit der/dem jeweiligen Ansprechpartner:in in Kontakt treten.

Aber auch ganz neue Spracherlebnisse und andere Fächer lassen sich in der Drehtür umsetzen, von Spanisch über die Mathematik bis zu den Naturwissenschaften.

Leana aus der 7. Klasse besucht Spanisch in Klasse 8

¡Hola! Me llamo Leana y tengo doce años. Estoy en la clase 7m en el “Dürer-Gymnasium” en Nuremberg.

Hallo! Ich heiße Leana und bin 12 Jahre alt. Ich besuche die Klasse 7m am Dürer-Gymnasium Nürnberg und nehme seit dem Schuljahr 2022/23 am Drehtürmodell Spanisch in der Klasse 8m teil. Diese Konstellation ist recht kompliziert, da man in der 7. Klasse noch gar keinen Unterricht in dem Fach Spanisch hat, das kommt erst mit der Zweigwahl in der 8. Klasse.

Warum nehme ich überhaupt am Drehtürmodell teil?

Ich hatte in der zweiten Hälfte des Schuljahres 2021/22 (damals noch in der 6. Klasse) mit zwei Klassenkameraden die 7. Klasse in Englisch besucht, da meine Englischlehrerin mir das vorgeschlagen hatte und mir im Englischunterricht sehr langweilig war. Mein Wunsch war es aber auch da schon, Spanisch zu lernen, da ich die Sprache und das Land einfach total gerne mag und ich es an sich faszinierend finde, Sprachen lernen zu können. Außerdem hatte das Drehtürmodell in Englisch nicht so gut funktioniert – wir konnten nur eine Stunde (von vier) pro Woche in die höhere Klasse gehen, was zu wenig Zeit war, alles mitzubekommen und nachzuholen.

Das wollte ich dann mit dem Drehtürmodell in Spanisch besser machen. Zum Glück hat es jetzt in meinem 7. Schuljahr geklappt. Von den vier Stunden Spanisch in der 8. Klasse nehme ich an zwei Stunden teil, da fällt dafür Englisch bei mir aus.

Was sind die Vorteile des früheren Lernens?

Abgesehen davon, dass ich nun endlich Spanisch lernen kann, was ich mir ja schon lange gewünscht hatte, würde ich sagen, dass das Drehtürmodell meine Selbstständigkeit und Organisationsfähigkeiten enorm fördert. Ich muss mich jede Woche um das Nachholen und Verstehen der verpassten Unterrichtsmaterialien (Spanisch und Englisch) kümmern und auch die Schulaufgaben und anderen Leistungsnachweise im verpassten regulären Unterricht mitschreiben. Das erfordert natürlich eine gute Organisation und viel Disziplin – und auch zwei verständnisvolle Lehrerinnen, die mir den jeweils verpassten Stoff so mitteilen, dass ich ihn bis zur nächsten Stunde nachholen kann. Denn vor allem wenn man in Spanisch nicht dranbleibt, verliert man aufgrund des hohen Tempos schnell den Anschluss… Ein weiterer Vorteil ist, dass man eine andere Klasse mit anderen Schülerinnen und Schülern kennenlernt und neue Freunde findet.

Welche Herausforderungen gibt es beim Drehtürmodell?

Ob eine Teilnahme am Drehtürmodell klappt, hängt nicht nur von meinem eigenen Interesse und meiner Disziplin ab, sondern auch von den Stundenplänen und welche regulären Fächer ausfallen würden. Da man darauf aber keinen Einfluss hat, könnte es sein, dass es im nächsten Jahr nicht mehr klappt. Das fände ich sehr schade!

Mein Fazit

Auch wenn es manchmal schon anstrengend ist, finde ich das Drehtürmodell super! Ich kann jetzt schon eine neue Sprache lernen und damit vielleicht auch früher an einem Austausch teilnehmen. Und falls ich in der 11. Klasse für ein Jahr nach Spanien gehe, tue ich mir dort dann leichter. Auf jeden Fall kann ich mir aber im nächsten Spanien-Urlaub ein Eis zur Belohnung bestellen :-)

Antonina aus der 9. Klasse besucht Mathematik in Klasse 10

Ich bin Schülerin der 9. Klasse und nehme seit über einem Jahr am Drehtürmodell teil, letztes Schuljahr in Latein und Mathe in der 9. Jahrgangsstufe. Dieses Schuljahr besuche ich den Mathematikunterricht der 10. Klasse. Es war anfangs eine große Überwindung für mich, sich dafür zu entscheiden und am Unterricht einer ganz anderen Klasse teilzunehmen. Rückblickend kann ich aber sagen, dass ich die Entscheidung keinesfalls bereue. Meiner Meinung nach ist das Drehtürmodell einer der besten Wege, um seinen Unterricht individueller zu gestalten, da man dadurch seine Stärken und Interessen fördert. Durch das Drehtürmodell konnte ich meine Mathekenntnisse erweitern und vertiefen sowie neue Leute kennenlernen. Die Aufgaben stellen zunächst eine Herausforderung dar und erfordern Nachdenken sowie Konzentration, was dazu führt, dass man nie gelangweilt oder unterfordert ist. Darüber hinaus ist dieses Angebot sehr flexibel und kann individuell an die Bedürfnisse der Teilnehmenden (bspw. bzgl. Leistungserhebungen, Stundenanzahl etc.) angepasst werden. Ich persönlich empfehle das Drehtürmodell allen, die sich sehr für ein bestimmtes Fach interessieren und in der Lage sind, sich intensiver damit auseinanderzusetzen und den Stoff der versäumten Unterrichtsstunden nachzuholen.

Jonathan aus der 9. Klasse besucht Physik in Klasse 11

Ich bin Jonathan aus der 9. Jahrgangsstufe und besuche die Q11 für 2 Stunden pro Woche in Physik.

Ich finde das Drehtürmodell toll, da man etwas lernt, das einen interessiert, und zwar in der Zeit, in der man etwas „lernen” müsste, was man schon kann, noch innerhalb des Schulalltags. Es gibt mir also die Möglichkeit, meine Interessen zu vertiefen, ohne dafür Freizeit zu opfern, und minimiert die Langeweile im Fach Physik, in dem ich das Drehtürmodell besuche.

Das Drehtürmodell besuche ich wegen meines Interesses in Physik und da ich den Stoff aus meiner Klasse schnell gut verstehe. Das Drehtürmodell ist ein großartiges Angebot, das mir hilft, mit wenig persönlichem Aufwand Zugang zu Wissen zu bekommen und meine Interessen zu vertiefen. Es ist auch nicht schlimm, wenn man nicht alles direkt zu 100% versteht, denn man kann auch in seiner Freizeit nochmal nachschauen. 

Online-Drehtür

Mit den Möglichkeiten des modernen Distanzlernens bietet die „digitale Drehtür“ noch mehr Abwechslung und einen spannenden Blick über den schulischen Tellerrand hinaus. Dabei verlassen Schüler:innen den Regelunterricht und nehmen online an Kursen und Workshops zu diversen Themen wie Kunst, Informatik, Wirtschaft, Japanisch oder Archäologie teil. So öffnet sich nicht nur die Schule als Lernort, sondern sie bietet noch mehr Möglichkeiten der individuellen Förderungen, indem Kinder und Jugendliche nach ihren persönlichen Interessen und Begabungen ihre Auswahl treffen. Dazu ein Erfahrungsbericht:

Theo aus der 7. Klasse nutzt die Online-Drehtür

00:0001:40--:--75%

Individuelle Förderung – Vorteile der Drehtür

Ob Englisch in Q12 statt der 9. Klasse, Mathematik in der 10. statt in der 9. Klasse oder beim zusätzlichen Spanischlernen: Ein gutes Zeitmanagement, Interesse und die Fähigkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten, sind Grundvoraussetzungen für das Gelingen.

Das Drehtürmodell ist ein wichtiges Element unserer Begabtenförderung und bietet sehr viele Vorteile für unsere Schüler:innen. Durch das Beachten von Begabungen wird nicht nur der Unterforderung entgegengewirkt, es werden auch Leistungsmotivation, Eigenverantwortung, Selbstsicherheit und Anstrengungsbereitschaft gefördert. Lernwege werden individualisiert, sodass Schüler:innen nicht nur ihre Lernprozesse autonomer gestalten, sondern sich auch schulischen Herausforderungen stellen können, die ihrem Lernpotenzial entsprechen.

Doris Ianes

Doris Ianes

Doris Ianes ist Lehrerin für Englisch und Spanisch, Oberstufen-Coach, organisatorische Leitung des Kompetenzzentrums für Begabtenförderung in Mittelfranken und Koordinatorin der Hochbegabtenklassen am Dürer-Gymnasium in Nürnberg. Im Rahmen dieser Tätigkeiten ist sie Ansprechpartnerin für (hoch)begabte Schüler:innen, arbeitet gemeinsam mit ihrem Team an unterschiedlichen Projekten und gibt u.a. Fortbildungen für interessierte Kolleg:innen und Studienseminare zu diversen Aspekten rund um das Thema Begabtenförderung und Coaching. Ebenso moderiert sie KARG-Impulskreise.

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