LehrergesundheitWenn der Schulalltag zur großen Welle wird … Surfe mit Supervision!

Ich liebe Hollywood-Filme. Vor allem Filme, in denen sich der Protagonist auf irgendeine Reise begibt, um physisch und psychisch zu reifen, damit er seinen Endgegner besiegen kann. „Kill Bill“, „Batman“ und „Rocky“ sind nur einige der Klassiker, die mir auf Anhieb einfallen. Der Filmvergleich zeigt mir, dass sowohl in einer fiktionalen als auch in einer realen Situation externe Hilfe benötigt wird, um irgendein Ziel zu erreichen. Das ist keine Schande. Immerhin fiebern wir mit den Protagonisten mit und können den wohlverdienten Erfolg nachempfinden (auch wenn „Kill Bill“ einen faden Beigeschmack hinterlassen hat).

Hollywood-Lehrer-in-Bayern-Crossover

Es ist klar, worauf ich hinaus will: Selbst die Erfahrensten unter uns stoßen manchmal an ihre Grenzen. Der Job als Lehrkraft ist nicht immer leicht, auch wenn ich ihn mit Überzeugung nachgehe. Die Tage, an denen mich ein Schüler oder eine Schülerin in den Wahnsinn treibt, die Anforderungen an mich manchmal zu hoch sind und meine Laune sinkt, weil ich es nicht schaffe, eine gesunde Work-Life-Balance umzusetzen, sind nicht selten. Sich einzugestehen, dass es so nicht mehr geht, ist der erste Schritt in Richtung Supervision.

Was ist Supervision?

Supervision ist eine lösungsorientierte Beratungsform zur Reflexion des beruflichen Alltags. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (einzeln, in Gruppen oder in Teams) bringen ihre aktuellen Anliegen, Fragestellungen und Erfahrungen ein. Das Ziel ist eine Perspektivenerweiterung und damit die Entwicklung von Handlungsalternativen für alle Beteiligten. Durch den kreativen Dialog unter der Leitung einer Supervisorin bzw. eines Supervisors werden die Ressourcen von Einzelpersonen und Gruppen aktiviert und förderliche Umsetzungen angebahnt.

Quelle: Supervision | Lehrergesundheit | Themen und Anlässe | Staatliche Schulberatung in Bayern

Weil mein Wissen als Supervisionsteilnehmerin doch begrenzt ist, habe ich Frau Sonja Koebke, zentrale Schulpsychologin und zertifizierte Supervisorin, für ein Interview gewinnen können. Sie hat dankenswerterweise ihre Expertise und gewinnbringenden Ratschläge mit mir geteilt:

Was leistet Supervision und welche Bereiche umfasst sie speziell für Lehrkräfte?
Sonja Koebke:
Das Beratungsformat der Supervision stellt eine Professionalisierungsmaßnahme für Lehrkräfte dar. Durch die Reflexion der eigenen pädagogischen Praxis wird die Handlungsfähigkeit der Lehrkräfte erhöht, es werden Potentiale ausgeschöpft und die Lehrerpersönlichkeit gestärkt. 
Insbesondere die Bereiche Reflexion der eigene Unterrichtsmethodik, Interaktion mit der Klasse bzw. mit einzelnen Schülerinnen/Schülern, Zusammenarbeit im Team mit Mitgliedern des Kollegiums und Elternarbeit stehen im Zentrum der supervisorischen Arbeit. Herausfordernde Situationen werden unter Anleitung einer ausgebildeten Supervisorin bzw. eines ausgebildeten Supervisors lösungsorientiert bearbeitet unter zu Hilfenahme von geeigneten Methoden sowie dem Feedback und der Erfahrungen der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Supervision fördert somit einerseits das persönliche Wohlbefinden der Lehrkräfte und trägt anderseits aktiv zu einer positiven Lernumgebung aller Beteiligten in der Schule bei.

Wann ist Supervision besonders empfehlenswert?
Sonja Koebke: 
Supervision stellt einen sicheren Raum zur Reflexion des eigenen pädagogischen Handelns dar. Somit bietet sich Supervison für alle Lehrkräfte an, die ihre persönliche und berufliche Entwicklung aktiv gestalten möchten, indem sie sich praxisnah der Bearbeitung aktueller Herausforderungen widmen. Lehrkräfte, die ihre Handlungssicherheit und Selbstwirksamkeit stärken, ihr Rollenverständnis reflektieren und ihre pädagogische Haltung ausbauen möchten, sind bei dem Format der Supervision genau richtig.

Ist Supervision eine Art Therapie?
Sonja Koebke: 
Supervision zielt darauf ab die eigene berufliche Entwicklung zu fördern, berufliche Herausforderungen zu meistern und die Qualität professionellen Arbeitens zu sichern. Hieraus ergibt sich unmittelbar der Abbau von berufsbedingtem Stress und die Förderung des persönlichen Wohlbefindens im beruflichen Setting der einzelnen Lehrkraft. Das berufliche Erleben stellt natürlicherweise einen Teil des gesamthaften Befindens eines Individuums dar und stahlt somit auch in private Belange aus.
Therapie hat im Gegensatz zur Supervision die psychische Gesundung eines Individuums zum Ziel. Die Symptome von Patienten, die in ihrer Gesamtpersönlichkeit aus dem psychischen Gleichgewicht geraten sind, sollen gelindert und in ihrer Persönlichkeit stabilisiert werden.
Supervision hingegen ist eine Professionalisierungsmaßnahme im beruflichen Kontext.

Wie können Lehrkräfte in der aktuellen herausfordernden Berufssituation gestärkt werden?
Sonja Koebke: 
Im Sinne einer Resilienzstärkung ist es besonders wichtig, sich auszutauschen, Netzwerke zu nutzen, externe Perspektiven einzuholen – um sich einerseits beruflich zu reflektieren und andererseits durch die Pflege persönlicher Beziehungen und positiv erlebter Bindungen Energie aufzutanken. Ein wertschätzender Umgang im Kollegium und ein stärkenorientierter Führungsansatz der Schulleitung trägt ebenso aktiv zum Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei. 

Wo finden Lehrkräfte Quellen zur Erholung und zur Kraftschöpfung?
Sonja Koebke: 
So individuell wie persönliches Stresserleben sich darstellt, so individuell sind auch die Quellen zur Erholung und Kraftschöpfung. Für den einen ist die Bergwanderung Erholung pur, für den anderen einfach nur kraftraubend.
Um sich im herausfordernden Berufsalltag zu regenerieren, ist es in erster Linie vorab wichtig, sich selbst gewahr zu werden, für die eigene Selbstfürsorge Verantwortung zu übernehmen und Zeit aufzuwenden.  Es gilt Fragen wie folgende für sich zu beantworten: „Was sind meine Bedürfnisse? Was sind meine Stressmerkmale? Wie merke ich präventiv, dass ich eine Pause brauche? Wie kann ich mich wirklich erholen?“ Psychoedukative Programme wie „Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf – AGIL“ unterstützen diesen Kompetenzerwerb, seine Bedürfnisse wertfrei anzunehmen, seine Antreiber und ungünstigen Handlungsstrategien kennenzulernen und zeigen vorhandene z. T. „schlummernde“ Ressourcen, Stärken und Handlungsalternativen auf. Es gilt jene in den Alltag zu integrieren, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Ziel ist es, sich selbstwirksam in seinen Handlungen zu erleben und daraus Kraft zu schöpfen.

Selbstreflexion und Eingeständnis

Anders als in Hollywood-Filmen, in denen der Protagonist mehr oder weniger in die Selbstreflexion und das Training gezwungen wird, obliegt die Entscheidung uns allein, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist der erste, richtige Weg, mögliche Hürden zu überwinden und mit neuen Perspektiven an die Sache heranzugehen. Eine erste Anlaufstelle ist die Staatliche Schulberatung in Bayern. Auf der Homepage des Kultusministeriums findest du die Kontaktdaten zu den sogenannten Regionalbeauftragen für Lehrergesundheit sortiert nach Regierungsbezirk und Schulart. 

Dazu lässt sich abschließend nur noch sagen:

"It ain’t about how hard you hit. It’s about how hard you can get hit and keep moving forward; how much you can take and keep moving forward. That’s how winning is done!” (Rocky Balboa)

Aylin Qasim

Aylin Qasim

Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.

Was leistet die Supervision und welche Bereiche umfasst sie speziell für Lehrkräfte?

Bettina Dirtheuer: Der Supervisor dient als Navigator, der mit gezielten Impulsen den Weg weist. Das thematische Angebot der Supervision ist dabei breit gefächert und passt sich den individuellen Bedürfnissen der Lehrkräfte an. Systemische Supervisoren treten nicht als Experten im Feld der Pädagogik auf, sondern vielmehr als Katalysatoren, die durch Ressourcenaktivierung und das Aufzeigen von Handlungsoptionen helfen, aktuelle Herausforderungen und innere Konflikte zu überwinden. Das Ziel ist es, Lehrkräfte zu einer Lösungsorientierung zu führen, indem mögliche Perspektiven aufgezeigt und neue Handlungsstrategien entwickelt werden.

Ab wann ist eine Supervision besonders empfehlenswert?

Bettina Dirtheuer: Eine Supervision empfiehlt sich besonders dann, wenn man in der aktuellen beruflichen oder persönlichen Situation an einen Punkt gelangt, an dem scheinbar keine weiteren Handlungsoptionen mehr verfügbar sind. Es ist der Moment, in dem sich der Alltag in einer Sackgasse befindet und die nächsten Schritte ins Ungewisse führen. Supervision bietet hier eine Perspektive, um aus dieser eingeschränkten Sicht herauszutreten und mittels bewährter Techniken neue Wege zu erkunden. Dabei ist es wichtig, zwischen einer reinen Problemsituation und einem tieferliegenden Konflikt zu unterscheiden. Oftmals, wenn eine Problemlösung nicht unmittelbar attraktiv oder umsetzbar erscheint, verbirgt sich dahinter ein Konflikt, der einer eingehenden inneren Auseinandersetzung bedarf. In solchen Fällen zielt die Supervision darauf ab, nicht nur oberflächliche Lösungen anzubieten, sondern auch dabei zu unterstützen, den inneren Konflikt zu verstehen und anzugehen, um so einen dauerhaften Wandel zu ermöglichen.

Ist die Supervision eine Art Therapie?

Bettina Dirtheuer: Supervision und Therapie weisen zwar Parallelen auf, doch es ist wesentlich, zwischen den beiden zu differenzieren. Während beide Formate Unterstützung und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, fokussiert sich die Supervision primär auf berufliche Kontexte und die damit verbundenen Herausforderungen und Konflikte. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Tiefe der Auseinandersetzung: In einer Gruppensupervision etwa ist es schwieriger, individuelle Themen so tiefgehend zu bearbeiten wie in einer Einzeltherapie. Entscheidend ist auch der Rahmen, in dem die Supervision stattfindet – ob im Einzelgespräch oder in einer Gruppensitzung, da dies die Herangehensweise und den Fokus beeinflusst. Trotz dieser Unterschiede gibt es methodische Ähnlichkeiten, etwa in der Anwendung bestimmter Techniken, die auf Erkenntnisse und Praktiken der Psychotherapie zurückgehen können. Jedoch bleibt der primäre Zweck der Supervision die berufliche Reflexion und Entwicklung, nicht die psychologische Therapie.

Wie können Lehrkräfte in der aktuellen herausfordernden Berufssituation gestärkt werden?

Bettina Dirtheuer: Ein wichtiger Schritt ist der Perspektivwechsel: die Fokussierung darauf, was trotz der Schwierigkeiten funktioniert, statt nur die Hindernisse zu sehen. Diese Selbststärkung betont das Erkennen und Wertschätzen der eigenen Kompetenzen und das Verstehen der Hintergründe, die die aktuellen Herausforderungen so anspruchsvoll machen. Häufig liegt die Ursache nicht im eigenen Versagen, sondern in äußeren Umständen oder systemischen Problemen. Durch diesen Ansatz können Lehrkräfte ermutigt werden, ihre Situation neu zu bewerten und gestärkt mit den täglichen Anforderungen umzugehen.

Wo finden Lehrkräfte Quellen zur Erholung und zur Kraftschöpfung?

Bettina Dirtheuer: Für Lehrkräfte, die im Alltag ständig hohen Belastungen ausgesetzt sind, ist es essenziell, Quellen für Entspannung und Erholung zu finden, die weit entfernt von ihrem beruflichen Umfeld liegen. Solche Quellen bieten keinen direkten Bezug zum Lehrberuf und ermöglichen dadurch ein vollständiges Abschalten. Dies kann das Eintauchen in die Welt der Krimis, das Genießen von Serien oder das Verbringen von Zeit an Orten sein, die mit dem Beruf nichts zu tun haben und somit einen mentalen Abstand schaffen. Ebenso können soziale Aktivitäten, die keine Verbindung zur Arbeit haben, als wichtige Ressourcen dienen. Der Schlüssel liegt darin, Aktivitäten zu finden, die es ermöglichen, die beruflichen Sorgen für eine Weile beiseitezulegen und so die Batterien wieder aufzuladen. Das Heraustreten aus dem beruflichen Kontext ist dabei unerlässlich, um den Geist zu erfrischen und die nötige Distanz zu gewinnen, die für eine wirkungsvolle Erholung benötigt wird.

 

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